… Zügig biege ich in die Königin Astrid Straße hier in Stolberg ein. Mein Puls nimmt zu, ich spüre, wie meine Hände feucht werden und sich krampfhaft um das weiche Lederlenkrad klammern.
Heute habe ich ein Date, ein Rendezvous mit gleich dreien von mir schon ewig Angebeteten. In sanften Schwüngen fahre ich ungeduldig die leichte Steigung hinauf, noch einmal abbiegen, dann erscheinen die ersten kleinen Industriehallen in einem winzigen Gewerbegebiet, welches von sattem Grün umgeben ist.Eine dieser Hallen beherbergt die Firma „American Muscle Motorsports & Services“, das Ziel meiner langen Anreise an diesem herrlichen Sommertag. Ich stelle mein Auto ab, nervös betrete ich das geschotterte Vorgelände zu der mittelgroßen Halle. Mit ihrer braunen Farbe und dem großen beige-braunen Logo hat sie einen klassischen Look. Durch das offene Hallentor dringen leise die Töne einiger Rock Klassiker der 60er und 70er. Gleich hier auf dem Platz treffe ich auf das erste Objekt meiner Begierde: eine 65er Corvette Stingray. Verliebt schleiche ich um dieses wunderbare Fahrzeug, streiche über die Kiemen im Kotflügel, bemerke die Speichenfelgen mit den Rennslicks, schaue durch das flache, große Heckfenster. Plötzlicher ohrenbetäubender Lärm reißt mich aus meinen emotionsgeladenen Erinnerungen vergangener Zeiten, als ich diesen Rennwagen in Aktion auf den verschiedenen Rennstrecken in Europa und Übersee bestaunte.
„Ergriffen ist der Mann erst dann, wenn ihm sein Traumauto begegnet.“
Nur wenige Meter von mir entfernt und bis jetzt vollkommen unbemerkt, kämpft ein 68er Ford Mustang, ebenfalls im Renntrim, gegen den Widerstand des Rollenprüfstands an. Es ist das zweite Fahrzeug, weshalb ich heute hier bin. Mit grimmigem Blick und aggressivem, brüllendem V8 Sound erinnert er furchteinflößend an ein wildes, ungezähmtes Tier. Mit respektvollem Abstand beobachte und lausche ich der Prozedur, welche immer wieder die volle Drehzahl des 427er Motors abruft und mich erschauern lässt. Als die Messung vorüber ist wird es still. Die Fahrertür öffnet sich und heraus steigt ein circa 1,85m großer Kerl in schwarzer Kleidung. Er nimmt seinen Hörschutz ab, kommt mit einem netten Lächeln auf mich zu und begrüßt mich mit einem festen Händedruck.
B. Ing. Bastian Ebener gründete 2011 „American Muscle Motorsports & Services“ als „One Man Show“. Von der ersten Stunde an galt seine Leidenschaft den hubraumstarken Klassikern der amerikanischen Muscle Car Szene. Obgleich als edler Rennwagen oder als Fahrzeug mit Straßenzulassung. Seine Passion und sein stetes Engagement sorgten dafür, dass seine kleine Firma sich rasch auf dem Markt für klassische Fahrzeuge etablierte und ihr ovales Logo bald auf diversen Rennsport Veranstaltungen zu sehen war.
Er führt mich in seine Halle, während eines lockeren Gesprächs umrunde ich das amerik. Rennpferd. Der Geruch nach Abgas und Benzin aber auch die Hitze der Motorhaube und die knackenden Sidepipes erwecken einen Eindruck, als stünde ich direkt auf der Nordschleife im Fahrerlager. Eine Weile bestaune ich diesen PS starken Boliden, bis Herr Ebener mich mit dem Satz „Dort steht es.“ aus den Gedanken reißt. Ich hebe meinen Kopf, mein Blick folgt seinem, der in eine andere schwach beleuchtete Ecke der Halle blickt.„Zylinder: Statussymbol, das man nicht mehr auf dem Kopfe, sondern unter der Motorhaube trägt.“
Dort unter einem Paletau verborgen, steht der Grund meines Besuchs. Trotz des Tuches ist die Aerodynamik und die Eleganz der Linienführung dieses flachen Rennwagens unverkennbar. Die Abdeckung wird gelüftet, ich befinde mich einem Traum in hellblau gegenüber. Im Gegensatz zu den anderen beiden Fahrzeugen sehe ich dieses hier zum ersten Mal in live. SchließIich stehe ich vor einem Daytona Coupe. Meine Hand gleitet die scheinbar unendlich lange Motorhaube hinauf, tief muss ich mich hinunter bücken um einen Blick ins schlichte wie edle Cockpit dieses Racers werfen zu können.
Bei einem cremigen Cappuccino an einer halbrunden Kaffeebar im Stile der 60iger kommen wir schnell ins Gespräch und Herr Ebener erzählt mir den Werdegang seiner kleinen Firma. Mit nur 15Jahren kaufte er sich damals einen restaurierungsbedürftigen Jeep CJ6, kaum ein paar Jahre fertig sollte ein 67er Ford Mustang ebenfalls neu aufgebaut werden. Es folgten ein paar Jahre im Angestelltenverhältnis in einer Oldtimerwerkstatt neben dem Maschinenbaustudium. Noch nicht ganz fertig studiert im 8. Semester gründet er im Februar 2011 sein Ingenieurbüro für historische Fahrzeuge. Angefangen mit Rennservice fanden sich wohl auch immer wieder verschiedene Klassiker der Straße in der Werkstatt wieder. Nach zwei Jahren „auf Probe“ entschloss sich Ebener zum Bau seines eigenen Firmengebäudes in einem neuen, recht abgelegenen Gewerbegebiets in Stolberg. Hier im Camp Astrid waren bis Ende der 90er Jahre die belgischen Truppen stationiert. Anfang bis Mitte der 2000er wurde die Fläche dann vom Land NRW aufgearbeitet und zu Gewerbeflächen umgewandelt. Seit Ende 2013 arbeitet Herr Ebener also von hier aus. Mit einem Studenten als Aushilfe hat er sich über die ersten Jahre bis 2017 allein durchgekämpft, doch die Nachfrage wurde immer größer weshalb er ab 2017 zwei feste Mitarbeiter sowie zwei Minijobber beschäftigte.
Weiter erzählt mir Herr Ebener von seinem schweren Unfall Ende 2020, der ihn seinen linken Unterarm beinahe verlieren ließ. Seitdem ist viel passiert, sagt er, und er habe nochmal einen anderen Blick auf sein Leben bekommen. Das war ein Mitgrund dafür, sich nach vier schönen Jahren doch nochmal von seinen Mitarbeitern zu trennen und das Geschäft zusammen mit seiner Frau wieder allein in die Hand zu nehmen.
Während eines anschließenden Rundgangs durch die Halle zeigt er mir verschiedene Projekte, die der noch junge Ingenieur im Moment in Arbeit hat. Angefangen von einer zerlegten 3Gang Automatik aus den späten 60ern, die hier überarbeitet wird, erlaubt er mir einen Blick in das CNC Bearbeitungszentrum, in welchem er Motorenblöcke und Zylinderköpfe aufbereitet. Im angrenzenden Raum zeigt er mir das 1966er Ford Galaxie Cammer Projekt. Auch dessen äußerst seltene Triebwerk, ein 427 SOHC (Cammer engine), hängt wartend im Motorständer auf seine Fertigstellung. In der angrenzenden Lackierkabine trocknen gerade noch mehrere Motorblöcke und Zylinderköpfe, die heute morgen noch frisch lackiert wurden.
Für mich wird eins klar: Hier bin ich richtig.
„Dem Meister vom Handwerk soll man glauben“
Nach zwei schönen wie informativen Stunden sitze ich anschließend wieder in meinem Wagen. Ich begebe mich mit vielen Ideen im Kopf auf den Heimweg. Heute bin ich meinem Traum eines historischen Muscle Cars näher gekommen. Und kurzum bin ich sicher, den Partner zur Umsetzung dieses Projekts gefunden zu haben.
Christopher Humbold